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Jemand hat diese Arbeit einmal als „Pauls Welt“ bezeichnet. Und – ehrlich gesagt – eine wirklich treffendere Bezeichnung habe auch ich bisher auch nicht dafür gefunden. Und nun soll ich selbst diese Arbeit in gute Worte fassen, und das ist schwer. Dabei sollte es doch im Grunde immer möglich sein – das ist eine These – alles in nur einem Satz zusammen zu fassen. Denn wenn es einem nicht gelingt, den Kern einer Sache in einigen wenigen Worten zu fassen zu bekommen, dann muss man damit rechnen, dass er womöglich einfach nicht da ist. Ich will es aber versuchen.
Jemand kommt also, und erklärt: „Ich zweifele an meinem Werkzeug“
Und jetzt wo man weiß: Er zweifelt an seinem Werkzeug, kann man versuchen zu klären: Mit einem Werkzeug ist sicher kein Hammer, keine Bohrmaschine gemeint. Die Werkzeuge sind: sehen, denken/sprechen, machen, sein. Sehen, denken/sprechen, machen, sein sind als Verben, als produktive Tätigkeiten gemeint, und zwar alle bezogen auf ein Objekt. Also: Ich sehe etwas dahin. Sehen ist Werkzeug, damit da was ist, damit da was wird. Oder ich denke etwas dahin, und dann entsteht da was. Oder ich handele etwas dahin. Das ist das Machen. Es ist bekannt und hat sich bewährt. Oder ich bin etwas dahin, aber spätestens beim „etwas dahin“ sein, bin ich mir nicht sicher, ob das was wird.
Und dieses Zweifeln am Werkzeug der Wahrnehmung und des Denkens – das ist natürlich das wovon ich hier spreche – dieses Zweifeln ist ein Dilemma, und zwar eines, das meine Arbeit schon etwas fester in den Griff bekommt: Das Dilemma ist im Grunde folgendes: Mit seinem Werkzeug kann man nicht gleichzeitig Hadern und Arbeiten. Und der Kniff, den ich mir erlaubt habe, um dieses Zweifeln am Werkzeug zu zeigen, zum Thema zu machen, ist im Grunde: Dieses mein Werkzeug als Spielzeug zu behandeln. Womit natürlich auch aus dem Werk, der Arbeit, ein Stück weit ein Spiel wird.
Und als Spiel wird das Werk leichter, handlicher. Ich möchte allerdings nicht falsch verstanden werden. Mit „Spiel“ meine ich nicht, dass der „Ernst der Sache“ verloren gehen darf. Wenn ich das Werkzeug und das Spielzeug ineinander lege, dann nur, weil ich überzeugt bin, dass es seinen Doppelcharakter dabei erhalten kann.
Im Spiel kann man ohne weiteres aus einem Kopf aus Stein einen Ball oder einen Hut machen. Ich kann aus der Haut fahren, und die Reste verschenken. Und mechanische Schuhe versichern, dass ich trotzdem noch da bin. Es ist also tatsächlich nicht viel, das man benötigt, um zu sein. Ein Paar Schuhe, eine Kopfbedeckung und etwas zu verschenken. Das ist im Grunde alles. Allerdings ergeben sich dabei auch Schwierigkeiten, darüber kann man hier etwas hören.
Das ist der erste Zusammenhang, wie im Übrigen jeder der vier Tische ein sehr bestimmtes Geflecht von Beziehungen trägt. Natürlich ergeben sich auch zwischen den einzelnen Tischen und den Kästen Beziehungen oder so etwas wie Absprung und Landeflächen.
Der nächste Tisch handelt von der Sprache, und zwar vom Problem einer Sprache, die relativ verzweifelt versucht, sich selbst zu beschreiben oder zu erklären. Also von einer Frage nach der Sprache. Anhand von zwei Texten die eben genau diesen Versuch wagen, nämlich die Sprache als Sprache zur Sprache zu bringen, mache auch ich meine Untersuchungen. Sprache wird hier als Material benutzt, als Material für mein Spiel. Um die Sprache zu zwingen, etwas über sich Preis zu geben, nehme ich eine Fußnote aus Heideggers „Der Weg zur Sprache“ buchstäblich und übertrage das was er da sagt auf die Länge von Kartonstreifen oder als binären Code in die Schleife einer Spieluhr. Der Springende Punkt eines Vortrags aus Derridas Die Wahrheit in der Malerei kommt nicht auf den Punkt, einige Buchseiten aus demselben Text falten sich zu Schwarz und Licht. Es ist der Versuch, Sprache als Sinnträger oder Ideenträger um die Dimensionen von Raum, Klang und Material zu erweitern.
Mit dem Lesen wird es dann natürlich schwierig. Ich will deswegen an dieser Stelle noch einmal versichern, dass ich es mit dem Sinn und der Sprache ernst meine. Mir fiel dazu neulich Jean Amery ein, der seinen Maler LeFeu immer wieder sagen lässt: Wir müssen streng am Sinn der Sätze haften bleiben. Und tatsächlich müssen wir das. Es ist gefährlich und überhaupt nicht meine Intention, das Band zwischen Sprache und Sinn zu lösen oder auch nur zu lockern. Wenn man allerdings streng am Sinn des Satzes haften bleibt, dann bleibt man eben auch haften. Sprache, die ja butterweich sein kann, wird dann zu etwas festem, steinhartem. Das ist gut, um darauf herum zu wandern, eindringen kann man dann allerdings nicht mehr. Nur im Spiel scheint mir das – zumindest in kleinen, mühsamen Auf- und Abtragungen – möglich.
Wir springen weiter. Die beiden Videos in diesen Kästen zeigen, wie sich aus einem detaillierten virtuellen Modell durch einfache mathematische Ableitung die Oberfläche der Köpfe auf eine Grundform reduziert. Aus den Körperoberflächen leiten sich allgemeinere Formen ab, die an diesem Tisch als gefaltete Papierobjekte zu sehen sind. Der Ableitung des virtuellen Modells im Video wird also eine Aufleitung ins Material angeschlossen. Nutzt man diese Papierformen als Projektionskörper, dann hat – im Spiel – auch jeder Andere die Möglichkeit, sich selbst in diese Objekte hineinzulegen und sich selbst darin aufzuleiten oder auch andersherum: die Objekte mit sich selbst aufzuleiten, anzureichern. Als Gegensatz zum Präzisen und Detailreichen habe ich damit versucht, Gelegenheit zu schaffen, die Freiheit datenarmer Zustände zu entdecken. Es ist die Freiheit der Formel gegenüber der Rechnung.
Wenn man so will unter der Flagge der Freiheit datenarmer Zustände würde ich übrigens auch meine Positionen zur Fotografie oder in der Fotografie verorten. Tatsächlich kann ich der Fotografie als Abbildung wenig abgewinnen. Sie macht mich misstrauisch. Umso mehr ich sehe, um so weniger sehe ich. Ich wünsche mir eine Fotografie als „Aufbildung“ im Gegensatz zur Abbildung. Und diese Möglichkeit zur „Aufbildung“ gibt es natürlich auch, das möchte ich nicht in Abrede stellen. Wenn wie hier überhaupt Fotografie als Abbildung in meiner Arbeit auftaucht, dann eine sehr grobe, die ganz deutlich zeigt, wie wenig sie zeigt.
Womit wir denn auch beim vierten und letzten Themenblock angekommen wären. Die Arbeiten an diesem Tisch spielen als Ausgangsmaterial alle mit gerafften Stoffflächen, wie dieser hier gegenüber. Diese Arbeitsstücke gehen den Verflechtungen von Licht und Oberfläche, Raum und Dunkelheit nach, als die grundlegenden Prinzipien des sichtbaren und die grundlegenden Prinzipien der Fotografie selbst. Wie funktionieren verschiedene Formen der Abbildung einer Welle, wie wenig Strich oder Raum benötigt man dazu und welche Irritationen entstehen, wenn sich Fotografie um die Datenmassen der Wirklichkeit nicht schert und sich nur in sich selbst abbildet.
Ich hoffe, ihr konntet mir einigermaßen folgen, auf den Trampelpfaden in Pauls Welt, die ich versucht habe zu legen. Ich weiß natürlich auch, dass ich es euch dabei nicht immer leicht mache. Und gelegentlich, muss ich zugeben, stelle ich euch auch ganz bewusst vor Rätsel, lass euch vor die Wand laufen (Womit ihr mir wahrscheinlich tatsächlich näher seid, als auf den Pfaden selbst). Aber im Grunde möchte ich euch ehrlich und wirklich ganz herzlich zu mir einladen. Ich bin ja schon da, und als Eintrittskarte gilt etwas ganz einfaches. Der Fragesatz. Diesen Fragesatz verschenke ich jetzt einfach an euch.
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„Ich habe gesehen, ich habe verstanden, ich bin da“
Am Kopf sitzen die Augen. Der Kopf sitzt an den Augen. Um jetzt auch wirklich ganz genau zu sein, möchte ich sagen: Der Kopf sitzt zwischen den Augen und den Füßen, denn die Füße sind das Mittel der Wahl zur Versicherung, dass die Augen sich nicht täuschen. Der Kopf aber steht im Weg. Da wo er sitzt, sitzt er quer.
Wie kommen wir da durch, durch den Kopf als Wand? Der Kopf als Wand als Betongefüllter Raum, der Kopf als Wand als Widerstand für Projektionen. Der direkte Weg wäre: Mit dem Kopf durch die Wand und hieße dann: Mit dem Kopf durch den Kopf. Dieses Unternehmen überlasse ich anderen, Denkern und Menschen mit großen Bohrmaschinen. Ich stehe mir dabei nur selbst auf den Füßen.
Mein Kopf bleibt Klotz am Bein. Müsste ich aber warten, bis sich die Mauer Hirn von selbst bewegt hat, bis sie dort steht, wo die Füße und die Augen sich treffen wollen, würden ich schnell alt. Fürs Verstehen gelten andere Zeitmaße. Ich kann das riechen.
Ich kann riechen, dass ich alt sein werde ohne auch nur irgendetwas verstanden zu haben. Ich kann diesen Klotz riechen. Und ich kann andererseits nicht leben ohne dieses Urvertrauen, dass es etwas zu Verstehen gibt, dass etwas Sinn macht, genauer: Das ich Sinn machen kann. Dieses Urvertrauen, das die Mütter ihren Kindern geben und ohne das kein Tier weitermachen würde; Dieses Urvertrauen, dem jeder vernünftige Gedanke widerspricht und das gleichzeitig jedem vernünftigen Gedanken trotzt.
Und da sind wir mittendrin, im Zweifel und im Widerspruch, im Kreisel. Wie kriegen wir die Augen und die Füße zusammen, wie kriegen wir den Kopf weich und welche Rolle spielen die Hände? Vielleicht über Umwege. Und dabei etwas mitnehmen, etwas übertragen, am Hirn vorbei. Wo es vielleicht Schatten wirft, in die Höhle, damit sich die Wand im Streiflicht wölbt.
Veni, Vidi, Vici. Das sind die toten Enden der Erkenntnis.
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Untersuchungen am geöffneten Kopf
Das Bild lag nach hinten geöffnet vor ihnen. Sie versenkten sich bereits eine ganze Weile in flimmernde Details, das Gespräch war etwas ins Stocken geraten. Eigentlich war er es leid, sich wieder und wieder zu erklären, er hatte den Eindruck, als ginge es ihrem Gespräch auch vielmehr um das Zerstreuen des Gefühls, etwas nicht zu verstehen. Das aber konnte er so nicht vermitteln. Er gab sich einen Ruck.
- Verstehen sie?
- Ihre Untersuchungen sind mir ein Rätsel.
- Ich bin ja Wissenschaftler. [zwinkert mit den Augen] Es geht unsereins nicht darum dass oder was, sondern wie wir nicht verstehen, was wir sehen.
- Wie kann man verstehen wollen, dass jemand das nicht versteht, was er sieht, dass man selbst aber wiederum nicht sehen kann? Wie müsste eine Versuchsanordnung gestrickt sein, die uns Einblicke in dieses Geflecht von Schwierigkeiten verschafft?
- [lacht] Man müsste von hinten an eine Versuchsperson heran treten, ihr nahe treten, und sich dann – sanft wie rücksichtslos – nach vorn fallen lassen.
- Sie scherzen!
- [wieder ernst] Es gibt diesen Versuch natürlich nicht. Er wurde nicht erfunden. Ich habe ihn mir ausgedacht. Man könnte sich ja vorstellen, dass sich die Welt einfacher verhält, dass sie sich unseren Vorstellungen, unseren Ideen fügt. Dann wäre es genau so.
- Dann könnten wir diesen Fragen auf einfachstem Wege nachgehen, müssten dazu den Blick nur lange genug, tief genug in den vor uns befindlichen Hinterkopf senken?
- Und wenn nötig über eine geschickte Anordnung von Spiegeln auch in den eigenen.
- Nun verhält sich die Welt aber ja gerade nicht so. Im Gegenteil, sie scheint sich unseren Vorstellungen regelrecht zu entziehen. Kaum glauben wir etwas erkannt zu haben, löst es sich bereits wieder auf.
- Die Vorstellungen, die Ideen, sind autoritär. Sie sind die mächtigen Beherrscher einer großen, weiten Welt, nur ist es eine Welt ohne Dinge, ohne Menschen, ohne Raum.
- Im Märchen wird der Kaiser in neue Kleider verwickelt. Er traut seinen eigenen Augen nicht. Er will sich von den Augen nicht vorschreiben lassen, was er da nicht am Leibe trägt.
- Das heißt, in Wirklichkeit sind die Ideen nackt?
- Nackt und schlecht beraten.
Die Leinwand war etwas zu schmal für das projizierte Bild, die schweren Gardinen rafften das Licht seitlich in die Tiefe und aus der Tiefe nach oben. Das Schauspiel spiegelt sich an den Kulissen.
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Aus dem Kreisel
Martin Heideggers „Der Weg zur Sprache“ verläuft notwendigerweise ringförmig, wie jede Untersuchung, die die Sprache in der Sprache zur Sprache bringen soll. Denn das Andere, von dem her die Sprache beobachtet werden soll ist ja die Sprache selbst.
„Alles Sprechen über Sprache spricht von der Sprache, die es spricht. Deswegen bedeutet, über Sprache zu sprechen mittels desjenigen Mediums zu sprechen, wovon es handelt. Jedem Thema, jedem Diskurs erweist sich die Sprache bereits vorgängig. so dass sie, wo sie als Sprache zum Thema, zum Diskurs gemacht wird, hartnäckig, zuweilen sogar unbotmäßig eingreift und mitspricht.
Der Eingriff und seine Einmischung bleiben allerdings unthematisch, so dass sich das Sprechen über die Sprache in der verwirrenden Situation befindet, dass sich inmitten der Thematisierung das Thematisierte notwendig verdunkelt. Wir haben es mit einem grundlegenden Entzug zu tun, einer Negativität, der auf keine noch so geschickte Weise zu entrinnen ist […]“
Wie war das? „Alles Sprechen über Sprache spricht von der Sprache, die es spricht“? Wir haben es mit einem Zungenbrecher zu tun. Und zwar im doppelten Sinne, im wörtlichen genauso wie im idiomatischen. Wir zerbrechen uns nicht nur die Zunge sondern auch den Kopf, denn selbst etwas Butterweiches wie die Sprache wird steinhart, wenn sie auf sich selbst geworfen wird, wenn sich im Kreisel die Geschwindigkeit endlos erhöht.
In einem Karussell wie diesem muss einem regelrecht schwindelig werden. Es hilft nur, den Ausstieg zu wagen, das bedeutet allerdings: nicht mehr zu sprechen, jedenfalls nicht zur Sprache zu sprechen. Man verlässt dann den heideggerschen „Weg zur Sprache“, versucht abseits parallele Pfade um dabei die Sprache im Blick zu behalten. Als Zeichen, als Code, als Ding oder als Klang, jedenfalls nicht ohne Kontext, ohne Horizont, sei er auch noch so wage gestrickt.