Die Freiheit datenarmer Zustände

Paul Schwaderer – ein Zuschlag
Schritt für Schritt und Übersprung

Ich möchte Ihnen die Artefakte, die sich in diesem Büchlein drehen, nicht erklären. Könnte ich Ihnen das Hantieren von Paul Schwaderer mit diversen Gegenständen sprachlich vorführen, dann müssten Sie nicht hinschauen. Vielleicht sollte ich Ihnen die unsichtbaren Bezüge zwischen den Teilen seines Werks darlegen, denn ich entdeckte Nachbarschaften – ein Gegenüber, dem es nicht egal ist, was mit wem, wer mit was im Raum sich bewegt. Nicht nur bloße Gegenstände werden in eine sogenannte Schale geworfen, überraschende Verhältnisse, ein Klang eröffnet ein Spiel. Auch in diesen Konstellationen verstecken sich unüberschaubare Verbindungen, die ich nicht alle verfolgen kann – ich passe.

Nehmen wir also an, es ist ein Spiel – der Anfang ist nicht auszumachen. Regeln werden regelmäßig neu erfunden. Paul Schwaderer schweift ab von seinem geplanten Weg – logisch. Das Schweifen wird professionalisiert und anschaulich zart ausgebreitet. Zwischendrin liegen ausgedehnte Pausen, leere Stellen, doch auf seinem Tisch herrscht nie absolute Ruhe. Zwischen Silikonformen, Pappreliefs, Faltungen, Klebern, glänzenden Oberflächen, Schattierungen und leichten Massen lebt Resonanz – Korrespondenz, sowie Widerspruch, dauerhaft, aber unruhig. Manche kristallinen Ereignisse stechen geradlinig ins Auge, andere werden abgelenkt und schmelzen ausufernd fremd dahin. Am möglichen Grund der Formen liegen Untersuchungen, scheinwissenschaftliche Forschungen und poetisches Handeln. Da ist kein Chaos, sondern Transformation auf kleinem Raum. Konkret.

Am Boden glänzen mechanische Lackschuhe. Dieses Paar läuft ohne Herrn. Sie bäumen sich auf, fallen runter, folgen ihrem eigenen Takt. Schritt für Schritt, angetrieben und festgehalten von einem Stromkabel. Darüber hinaus baumeln die Schnürsenkel in der Luft – Schleifchen ohne Grund. Nebenbei purzelt Asche in einem endlos rotierenden Glas. Es ist, als ob zähe Massen nur mit ihrem kontinuierlichen und leisen Poltern ein Gleichgewicht erringen können. Wir wissen, dass neben Paul Schwaderers Motoren und Computern auch die Sonne aktiv ist. Seine Welt wird mit eigenen und fremden Treibern wach gehalten. Auch ich lasse mich auf diese Karussells gerne ein, doch … Seine Welt dreht sich auch ohne mich.

Suse Wiegand, 2014

Ausstellung im ‚Raum für drastische Maßnahmen‘, März 2014, Berlin